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Einleitung

Nicht jeder Mensch ist mit der Gabe der Leitung ausgestattet. Und unter denen, die diese Gabe haben, gibt es verschiedene Leitungstypen:

Direktive Leiter stehen unangefochten an der Spitze und treffen gerne einsam ihre Entscheidungen. Typische Beispiele dieser Spezies waren (und sind teilweise heute noch) die Chefärzte von stark hierarchisch gegliederten Krankenhausabteilungen, die als unangefochtene und Autorität einflößende Persönlichkeiten autokratisch ihr Personal führen.

Teamorientierte Leiter stehen in ständigem Austausch mit ihren Mitarbeitern und sichern sich bei ihren Entscheidungen sorgfältig ab; ihnen gelten momentan die meisten Sympathien.

Visionäre Leiter sprühen vor Ideen und brauchen neben sich unbedingt nüchterne Ratgeber, die sie immer wieder auf den Boden der Realität zurückholen und vor falschen Entscheidungen bewahren.

Fürsorgliche Leiter schließlich haben den Blick für den Einzelnen und investieren sich – manchmal bis zur Selbstaufgabe – in ihre Mitarbeiter.

So unterschiedlich Leiter auch sein mögen, so sehr gleichen sie sich alle an einer Stelle: Jeder kann geistlich krank werden. Was können wir tun, um eine plötzliche oder auch schleichende geistliche Erkrankung zu verhindern?

1. Was ist eine geistliche Krankheit?

Körperliche, psychische und geistige Krankheiten kennen wir alle: Wer bei einem Fußballspiel einen Bänderriss oder Knochenbruch erleidet, ist körperlich krank. Wer aufgrund von genetischer Disposition und biographischen Schicksalsschlägen in eine Depression fällt, ist psychisch krank. Und wer, aus welchen Gründen auch immer, eine stark verminderte Intelligenz besitzt, gilt als kognitiv bzw. geistig erkrankt.

Was ist eine geistliche Krankheit?

Geistlich krank ist ein Christ, wenn er kein Verlangen mehr nach Gott hat bzw. seine Beziehung zu Gott gestört ist. Ungläubige können nicht geistlich krank werden; sie sind laut Bibel geistlich tot (Eph 2,1-5; Kol 2,13), und ein Toter kann nicht erkranken.

Wie man nun körperlich, seelisch und geistig leicht, mittel und schwer krank sein kann, gilt dies genauso für die geistliche Erkrankung.

2. Wie wird man geistlich krank?

In der Heiligen Schrift finden wir mindestens drei Wege, auf denen es zu einer geistlichen Erkrankung kommen kann:

A) Indem man der Sünde nachgibt (Jak 1,13-15) und von seinem falschen Weg nicht umkehrt. Leiter können in unterschiedlichste Sünden geraten: üble Nachrede, Arroganz, Neid, Selbstgefälligkeit, Pornographie, Geldliebe … Christen sind zwar der Sünde gestorben und müssen der Versuchung nicht nachgeben (Röm 6), können ihr aber nachgeben. Da auch Christen gelegentlich fallen, ist die Frage der Buße entscheidend: Kehren wir nach einer Sünde um, werden wir nicht krank; verharren wir jedoch in der Sünde, kommt die geistliche Krankheit, die im schlimmsten Fall bis zum Glaubensstillstand oder sogar Glaubensabfall führen kann.

B) Indem man sich zum Zweifel an Gottes Wort verführen lässt. Während meines Theologiestudiums an der Universität Marburg musste ich manchmal der traurigen Tatsache ins Auge sehen, dass Kommilitonen, die als gläubige Menschen ihr Studium angetreten hatten, nach einigen Semestern den Glauben verloren und das Studium abbrachen. Bibelkritische Dozenten hatten in ihnen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Heiligen Schrift hervorgerufen. Die schon in der Urgeschichte vom Versucher formulierte Frage „Sollte Gott gesagt haben?“ (1Mos 3,1) wurde zum Ausgangspunkt für eine Reise ins Ungewisse, die schließlich im Unglauben endete.

C) Indem man seinen Dienst nur noch aus Routine und ohne Hingabe verrichtet und nicht mehr für Jesus brennt (Röm 12,11; Offb 3,15f.). Wer im geistlichen Dienst an Menschen steht – sei es im pastoralen Amt oder im Lehrdienst – steht in der Gefahr, nach Jahren der Arbeit das brennende Herz und die Liebe zu den Menschen und zu Gott zu verlieren. Offenbarung 2,4 warnt davor, die erste Liebe zu verlassen.

3. Wie können wir geistlich gesund bleiben?

Es gibt fünf unverzichtbare Faktoren, um geistlich gesund zu bleiben: die fünf G:

A) Gottes Wort

Die tägliche persönliche Lektüre der Bibel (ohne Hintergedanken an dienstliche Verpflichtungen) zur Erbauung, Korrektur und Orientierung ist ein absolutes Muss. Bibelfasten ist nicht der richtige Weg (Ps 119). So wie wir die tägliche Nahrungsaufnahme benötigen, um unsere körperliche und psychisch-geistige Leistungsfähigkeit zu erhalten, so brauchen wir die tägliche Ration der Heiligen Schrift, um geistlich gesund und leistungsfähig zu bleiben (Mt 4,4).

B) Gebet

Wer viel öffentlich beten muss, braucht noch viel mehr das verborgene Gebet. „Geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu …“ (Mt 6,6), so rät es Jesus seinen Nachfolgern. Umfragen unter christlichen Leitern zeigen: Sie vernachlässigen das persönliche Gebet. Martin Luther soll den klugen Satz geprägt haben: „Heute habe ich viel zu tun, heute muss ich viel beten.“ Und der frühere württembergische Landesbischof Hans von Keler ergänzte treffend: „Das Gebet ersetzt keine Tat; aber das Gebet ist eine Tat, die durch nichts zu ersetzen ist.“

C) Gemeinschaft

Christliche Leiter brauchen die Gemeinschaft mit anderen Christen. Jeder Leiter sollte – zusätzlich zum Gottesdienst am Sonntag – in eine Bibelstunde oder einen Hausbibelkreis eingebunden sein, damit er nicht abhebt, sondern geerdet bleibt und Korrektur, Orientierung und Ermutigung empfängt. Auch empfiehlt es sich, dass jeder Seelsorger einen Seelsorger hat, bei dem er sich aussprechen kann. Natürlich kann das Gespräch unter Kollegen ebenfalls hilfreich sein.

D) Gedächtnismahl

Die regelmäßige Mahlfeier ist nach Apostelgeschichte 2,42 neben Gottes Wort, Gebet und Gemeinschaft konstitutiv für das christliche Leben und dann natürlich umso mehr für das Leben eines Leiters. Hier ist eine besondere Gelegenheit, um Schuld vor Gott und Menschen zu bekennen und somit Lasten loszuwerden.

E) Gehorsam

Der Gehorsam gegenüber den Geboten Christi soll den christlichen Leiter auszeichnen (Joh 14,15.21; 15,10; 1Joh 5,2f.). Die Gebote Gottes sind ja keine Spaßverderber, wie unwissende Menschen vielfach meinen; sie sind im Gegenteil Lebenshilfen, die uns gegeben wurden, damit unser Leben gelingt. Wie die Leitplanken den Autofahrer davor bewahren, in die Schlucht zu stürzen, so bewahren uns Gottes Gebote vor dem moralischen Absturz. Sind wir dann aber doch Ungehorsam geworden, so gilt es, Seelenhygiene zu praktizieren, indem wir unsere Schuld vor Gott und – wenn nötig – auch vor Menschen bekennen (1Joh 1,9; Jak 5,16).

Neben diesen fünf geistlichen Faktoren, auf die kein Christ ohne Schaden für sein geistliches Leben verzichten kann, gibt es weitere natürliche Faktoren, die wir ebenfalls beachten sollten, um leistungsfähige Leiter sein zu können.

Wir alle wissen, dass unser körperlicher und psychischer Zustand Auswirkungen auf unsere geistliche Verfassung hat. Mit anderen Worten: Geht es uns körperlich oder seelisch schlecht, droht auch das geistliche Leben in eine Krise zu geraten. Daraus ergibt sich für jeden geistlichen Leiter eine Verantwortung: Wir haben das in unserer Kraft Stehende zu tun, um unseren Leib und unsere Seele gesund zu erhalten.

Natürlich hat niemand seine Gesundheit völlig im Griff; ein Verkehrsunfall kann von heute auf morgen alles verändern. Dennoch hat uns der Schöpfer einen Verstand gegeben, und wir sollen ihn einsetzen, um uns selbst so weit wie möglich gesund und leistungsfähig zu erhalten.

Daraus ergibt sich konkret eine auch fünffache Handlungsanweisung, die fünf A:

A) Achte auf deine Grenzen!

Niemand ist verpflichtet, jede Anfrage für einen Dienst oder eine Zusatzaufgabe anzunehmen. Lerne „nein“ zu sagen bzw. organisiere einen anderen, der den Dienst wahrnimmt. An dieser Stelle dürfen wir durchaus einen „gesunden Egoismus“ (1Tim 5,23) praktizieren. Von einer Mutter mehrerer Kinder wird berichtet, dass sie in der Nachkriegszeit, nachdem sie Milch beim Bauern eingekauft hatte, zunächst einen Teil vom Rahm abschöpfte und selbst zu sich nahm. Darauf angesprochen, warum sie das Beste der Milch nicht ihren Kindern gebe, antwortete sie: Es ist wichtig, dass ich gesund bleibe, damit ich meine Kinder auch morgen versorgen kann.

B) Achte auf Ruhepausen und auf einen Ausgleich!

Jeden Tag sollte man eine stille Zeit einplanen, jede Woche einen stillen Tag und jedes Jahr eine stille Woche. Als Jesu Jünger nach einem anstrengenden Missionstrip zurück zu ihrem Meister kamen, schickte sie der Herr in die Wüste, um aufzutanken (Mk 6,30). In den letzten Jahren ziehen sich immer mehr Führungskräfte für einige Tage ins Kloster zurück, um sich zu sammeln und neu auf Gott ausrichten zu lassen. Sehr zu empfehlen ist auch ein Hobby. Ein Musikinstrument spielen, Gartenarbeit verrichten, wandern, radeln oder schwimmen baut Stress ab und kann Wunder wirken.

C) Achte auf deine Ernährung!

Das Nahrungsmittelangebot ist heute so groß wie noch nie. Doch zugleich hat es auch noch nie so viele ungesunde Nahrungsmittel gegeben wie heute. Zivilisationskrankheiten aufgrund von falscher Ernährung sind auf dem Vormarsch. Davor kann sich schützen, wer Obst, Gemüse und Vollkornprodukte bevorzugt und zugleich Industriezucker so weit wie möglich meidet.

D) Achte auf Informations- und Medienaskese!

Das Wissen verdoppelt sich alle zwei Jahre. Die Informationsflut droht uns zu überfordern und zu erschlagen. Wir müssen nicht alles wissen. Sehr viel Schund (moralisch Verwerfliches, sex and crime) wird durch TV und Internet verbreitet. Hände weg davon! Auch ist niemand verpflichtet, auf Facebook, Instagram oder Twitter zu sein; das Meiste, was dort läuft, ist überflüssig und dient weder dem Glauben noch dem Leben.

E) Achte auf deine Familie und Freunde!

Wer eine intakte und harmonische Ehe und Familie hat und sich auf ein Netzwerk guter Freunde verlassen kann, wird manche Schläge im Berufs- und Gemeindeleben leichter wegstecken. Deshalb ist es eine nützliche Investition in unser eigenes Leben, wenn wir uns Zeit nehmen für unsere Lieben.

Schluss

Um als Leiter geistlich gesund zu bleiben oder wieder zu werden, brauchen wir in erster Linie die fünf G. Danach sind auch die fünf A eine Hilfe. Beide tragen dazu bei, dass wir auf Kurs bleiben und als Führungspersönlichkeiten ein Segen für unsere Mitmenschen sein dürfen.