Skip to main content

Diese Ausführungen haben wir mit freundlicher Genehmigung des CLV-Verlages dem „Kommentar zum Alten Testament“ von William MacDonald entnommen (Bielefeld, 2. Aufl. 2010, S. 544-545). Die Redaktion.


Es war schlimm genug, mit einer ernsten Krankheit gemartert zu sein; aber Davids Leid traf zusammen mit dem quälenden Druck durch seine Widersacher. Vielleicht waren sie über seinen hoffnungslosen Zustand entzückt.

6,1-2 David sah in seiner Krankheit einen Schlag, den Gott ihm zugefügt hatte wegen irgendeiner Sünde. Wir machen das gewöhnlich selbst auch so. Oft ist dies der erste Gedanke, der uns in den Sinn kommt. Und diese Diagnose ist manchmal zutreffend: Einige Krankheiten werden tatsächlich durch Sünden hervorgerufen, die wir nicht vor Gott bekannt haben (1Kor 11,30). Aber dies ist keineswegs immer der Fall. Gott lässt manchmal Krankheiten zu als Ausgangspunkt, um seine Kraft und Herrlichkeit zu zeigen (Joh 9,3; 11,4), oder als Mittel, um geistliche Frucht hervorzubringen (Röm 5,3), oder als natürliches Ergebnis von Überarbeitung (Phil 2,30) oder wegen hohen Alters (Pred 12,3-6). Wenn uns Krankheit trifft, sollten wir als Erstes sicherstellen, dass wir keine Sünden in unserem Leben haben, die wir nicht vor Gott bekannt haben. Dann sollten wir Gott bitten, seine Absichten mit der Krankheit auszuführen und uns zu heilen. Danach ist es richtig, den Arzt aufzusuchen und Arzneien zu verwenden. Doch müssen wir aufpassen, dass wir unser Vertrauen auf den Herrn setzen und nicht auf die Mittel, die er benutzt (2Chr 16,12). Alle Heilung kommt von Gott, ob sie in Form eines Wunders geschieht oder auf gewöhnliche Weise. Wenn er es in einem bestimmten Fall vorzieht, nicht zu heilen, wird er Gnade zum Leiden oder zum Sterben geben. Gewöhnlich bekommen wir die Gnade zum Sterben nicht bevor wir sie nötig haben.

6,3-4 Der Psalmist hat wortgewaltig und mit deutlichen Ausdrücken um Heilung gefleht. Er schwand dahin. Seine Gebeine schmerzten ihm unablässig. Selbst sein gesamtes Innenleben – seine Gefühle, sein Verstand und sein Wille – war betroffen. Aber es schien, als zögere der HERR zu antworten. Bis wann würde es dauern, bis er den Leidenden in Gnade heilt?

6,5 David bittet den HERRN, von einer Haltung scheinbarer Gleichgültigkeit umzukehren und seine Seele von Krankheit und Tod zu retten. Er beruft sich wegen der Befreiung von seinem Elend einzig auf die unerschütterliche Gnade des HERRN.

6,6 Dann folgt eine ungewöhnliche Begründung dafür, dass Gott ihn heilen sollte: Wenn David nämlich sterben sollte, so hätte Gott nichts davon. Solange David lebt, kann er sich an den Herrn erinnern und ihn preisen. Doch wenn er stirbt, wäre Gott vergessen. Der Körper ohne Geist könnte ihm nicht danken. Dieses Argument hat eine gewisse Stichhaltigkeit, sofern es den Leib betrifft; denn der Leichnam ist ohne Gedächtnis und ohne die Fähigkeit zum Loben. Was aber den Geist und die Seele angeht, spiegelt dieses Argument die begrenzte Erkenntnis wider, die die Heiligen des Alten Testaments über das Leben nach dem Tod besaßen. Dank der volleren Offenbarung, die Christus brachte, wissen wir jetzt, dass ein Gläubiger, wenn er stirbt, seinen irdischen Leib verlässt, um bei Christus zu sein, was auch viel besser ist (Phil 1,23). Er ist aus dem Leib ausgewandert und daheim beim Herrn (2Kor 5,8).

So gelangt der Gläubige nicht in einen Schwebezustand oder Seelenschlaf, sondern ist bewusst in der Gegenwart des Herrn und bringt ihm Preis und Anbetung dar. Zu Davids Gunsten muss gesagt werden, dass er wunderbaren Gebrauch von dem Licht machte, das er besaß, indem er es in das Gefüge seines Gebets einwob. Machten unsere Gebete genauso guten Gebrauch von dem höheren Licht, das wir haben, welche Vorbilder für Lob und Bitte wären sie!

6,7-8 Durch die Beschreibung des Elends des Psalmisten erhalten wir eine kleine Vorstellung von seinem Zustand. Er war von Gram und Seufzen völlig zermürbt. Die ganze Nacht schwemmte er sein Kissen wegen seines Weinens und benetzte sein Bett mit seinen Tränen. Seine Augen waren eingesunken wegen seines tiefen Kummers; sein Augenlicht schwand dahin wegen der Gewalttaten aller seiner Feinde. Es schien, als sei sein Leben bis zum Überlaufen mit Sorgen erfüllt, sodass er es nicht mehr ertragen konnte.

6,9-11 Aber das Gebet verändert die Dinge. Durch die verborgene, geheimnisvolle Mitteilung des Heiligen Geistes erlangte er die Sicherheit, dass der HERR die Stimme seines Weinens gehört und auf sein Gebet geantwortet hatte. Gestärkt durch diese Zusicherung, befiehlt er seinen Feinden, zu weichen. Er lässt sich nicht mehr durch ihr Drohen einschüchtern, denn er begreift: Sie werden sich plötzlich zurückziehen, besiegt und zuschanden werden, wenn der Herr aufsteht, um sie zu bestrafen.