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Dieser Artikel war zuerst das Vortragsmanuskript zu einem gleichnamigen Seminar. Wir haben aus der Rede eine „Schreibe“ gemacht. Hier und da ist der Text vielleicht etwas holprig geblieben. Das bitten wir zu entschuldigen. Die Redaktion

1. Einleitung

Es handelt sich bei dieser Ausarbeitung um einen Artikel zum Thema „Kommunikation“ – keine Bibelarbeit oder Predigt. Dennoch sollen Bezüge zur Bibel aufgezeigt werden, denn Kommunikation ist eine göttliche „Erfindung“.

1.1. Bedeutung der Kommunika­tion aus biblischer Sicht

Als Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf (1Mo 1,27) gab er ihm als Zeichen der Gott-Ebenbildlichkeit u. a. die Sprache und damit die Fähigkeit zur Kommunikation, d.h. des differenzierten Austausches mit einem Gegenüber. Kommunikation ermöglicht das Erleben von Gemeinschaft und befriedigt damit ein ganz wesentliches Grundbedürfnis des Menschen. Sprache an sich ist ein Wunder, und jeder, der sich mit Linguistik beschäftigt, kommt ins Staunen. Durch die Sprache unterscheidet sich der Mensch von allen anderen Geschöpfen. Auch wenn bei vielen Lebewesen eine Art von Verständigung untereinander stattfindet, ist sie doch von menschlicher Kommunikation grundverschieden.

Gott selbst kommunizierte sogar mit seinem Geschöpf und hob es damit in eine Sonderstellung innerhalb der Schöpfung. In der Bibel begegnen wir den Begriffen „reden“, „sprechen“ und „sagen“ etwa 4000-mal!

Ein Leben ohne Kommunikation ist schlichtweg undenkbar:

Wenn mit Babys nicht gesprochen wird, können sie sich geistig und seelisch nicht entwickeln. Von Kaiser Friedrich II. wird berichtet, dass er aus wissenschaftlicher Neugier die Ursprache des Menschen herausfinden wollte. Zu diesem Zweck befahl er den Pflegerinnen, Säuglinge zu stillen und zu pflegen, aber jegliches Reden, Zärtlichkeiten und Liebkosungen zu unterlassen. In der Folge sollen alle Kinder an diesem Mangel gestorben sein („soziale Deprivation“). Außerdem: Hospitalismus-Forschung (René Spitz: „Vom Säugling zum Kleinkind“); Anmerkung: Leider wird der Nachweis von R. Spitz über die Bedeutung der Beziehung zwischen Mutter und Säugling für dessen gesamte Entwicklung in unserer Zeit ignoriert.

Ebenso weiß man heute, dass Zellen im Körper (nicht nur Gehirnzellen) untereinander in Verbindung stehen und gegenseitig Informationen austauschen. Gelingt diese Kommunikation nicht, kann es zu Störungen (Krebs) kommen.

Die Bibel betont von Anfang bis Ende die Wichtigkeit des Wortes und der Kommunikation. Dass Menschen reden können, ist ein Beweis der Gott-Ebenbildlichkeit. Der christliche Glaube ist in erster Linie ein „Wort-Glaube“: So ist die Schöpfung das Resultat des Redens Gottes (1Mo 1,3: „Und Gott sprach …“). Jesus Christus wird in Johannes 1 als „das Wort“ (griech. logos) bezeichnet. Hebräer 1,1.2a: „Nachdem Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten, hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den [im] Sohn.“

Hebräer 4,12: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, …“ Und Gottes Wort ist unvergänglich: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ [Mt 24,35] etc. Gott redet – das ist unser Glück!

  • Gott schuf die Welt (samt Inhalt) und das gesamte Universum durch Sein Wort (Hebr 11,3: „… dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, …“)
  • Er erhält auch alles – durch dasselbe Wort (Hebr 1,3: „er trägt alle Dinge durch das Wort seiner Kraft“)

Das heißt: Gott konnte und kann alles durch Sein Wort – aber: zu unserer Erlösung von Schuld und Tod musste Er Seinen Sohn geben. Die Schuld des Menschen vor Gott ist durch Reden nicht zu beseitigen; zur Reinigung von unseren Sünden bedurfte es viel mehr. Das kann uns neu dankbar machen für die Größe der Errettung, die Gott uns in Jesus Christus schenkt.

Wie bei allem Wertvollen, was Gott dem Menschen anvertraut hat, liegen in der Kommunikation Licht und Dunkelheit, Chance und Gefahr, Hilfe und Zerstörung, Hoffnung und Entmutigung. Sprüche 18,21 bringt dies drastisch und auch treffend zum Ausdruck: „Tod und Leben steht in der Gewalt der Zunge …“

Beim ersten Menschenpaar herrschte wunderbare Harmonie bis zu dem Zeitpunkt, als das Infragestellen des Wortes Gottes zur Kommunikationsstörung führte, unter der die Menschheit bis heute leidet.

In der Seelsorge spielt Kommunikation eine zentrale Rolle, denn es geht darum, dem Ratsuchenden auf kommunikativem Wege Rat, Hilfe, Ermahnung, Ermunterung und Korrektur zu geben. Da die Probleme des Ratsuchenden zum großen Teil Kommunikationsprobleme im weitesten Sinne sind (das schließt die Kommunikation zwischen Gott und Mensch ein) und auch die Beratungssituation selbst sich der Kommunikation bedient, kann die Beschäftigung mit diesem Themenkomplex für unser soziales Miteinander und den Dienst der Seelsorge [biblische Beratung] sehr hilfreich sein.

1.2. Bedeutung psychologischer Erkenntnisse

Die Bibel äußert sich erstaunlich oft zum Thema Kommunikation im Sinne des rechten bzw. unrechten Gebrauches der Zunge (v. a. Sprüche und Jakobus-Brief1). Von daher müsste der Verweis auf das Wort Gottes, das uns Maßstab richtigen Denkens und Verhaltens ist, eigentlich genügen. Allerdings erhebt die Bibel nicht den Anspruch, alle Bereiche unseres Lebens so umfassend zu behandeln, dass jegliches Weiterdenken an einem Thema überflüssig wäre. Ansonsten müssten wir jede Wissenschaft ablehnen.2

In der Psychologie und Psychotherapie sind Sprache und Kommunikation wichtige Forschungsgebiete. Viele der dabei gewonnenen Erkenntnisse können uns helfen, den äußerst komplexen und komplizierten Vorgang der Kommunikation besser zu verstehen, ohne – und das möchte ich sehr betonen – dass wir damit die Prämissen humanistischer Wissenschaft übernehmen müssten. So ist es mein Anliegen, einige kommunikationspsychologische Erkenntnisse zu vermitteln, die sich in grundsätzliche biblische Aussagen einfügen lassen. Wir haben damit eher die Chance, mit Kommunikation und deren Störungen anders bzw. besser umgehen zu können.

Ziel dieses Artikels ist auf jeden Fall nicht die Vermittlung therapeutischer Methoden, sondern die Schärfung unserer Wahrnehmung und damit Befähigung zu bewussterem und angemessenerem Umgang mit einer überaus wunderbaren Gabe Gottes: der Kommunikation. Viele Ergebnisse aus der Kommunikationsforschung können dazu beitragen, andere und sich selbst besser zu verstehen.

2. Kommunikation: ein komplexes Geschehen

2.1. Definition

Kommunikation ist etwas, womit jeder ständig lebt, worüber aber im Allgemeinen wenig nachgedacht wird; sie ist so selbstverständlich wie die Luft, die wir einatmen. Im Grunde ist dies auch gut so – zumindest so lange Kommunikation funktioniert. Erfahrungsgemäß nehmen wir viele Dinge erst wahr und beschäftigen uns damit, wenn sie uns Probleme machen.3

Definition:

Kommunikation ist eine Form der Interaktion zum Zweck der Vermittlung von Information (dabei ist Information sehr weit gefasst, bezieht sich also nicht nur auf Worte).

Vom lat. „communicare“ = teilhaben, mitteilen (Adjektiv: „communis“= gemeinsam).

Kommunikation ist auch deshalb wissenschaftlich relativ gut erforscht, weil sie schlechthin das Medium der Psychotherapie ist (obwohl es auch eine Menge sog. körperorientierter Therapieverfahren gibt). Sprache/Kommunikation als Mittel von Therapie spiegelt sich auch in einer allgemein anerkannten Definition von Psychotherapie wider: „Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsens (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.“4

2.2. Formen der Kommunikation

  • Intrapersonale Kommunikation: Austausch, der innerhalb einer Person abläuft (Beispiel: Aufnahme von Daten aus der Umwelt, Selbstgespräche). Denken und Sprache sind untrennbar miteinander verbunden. Man kann nur in den Grenzen denken, wie man Worte dafür hat.
  • Interpersonale Kommunikation: Austausch von Informationen zwischen wenigstens zwei Kommunikationspartnern/Personen.
  • Mediengebundene Kommunikation (Massenkommunikation): Austausch von Informationen zwischen Massenmedien und einem Medienkonsumenten. Diese Form der Kommunikation bestimmt zunehmend unseren Alltag.

2.3. Zweck der Kommunikation

Wenn wir fragen, wozu Kommunikation überhaupt gut ist (wozu sie dient), dann finden wir fünf Erklärungen:

  1. der egozentrischen Äußerung („Mir ist kalt“)
  2. Informationssammlung (Fragen stellen)
  3. Informationsübermittlung (Wissensübermittlung: Vortrag, Schule)
  4. Beeinflussung des Verhaltens anderer („Mach’ bitte die Tür zu!“)
  5. Herstellung und Aufrechterhaltung einer Beziehung; „small talk“

Beispiel: Gespräche übers Wetter (wie gut, dass wir das Wetter haben, sonst gäbe es möglicherweise noch weniger Beziehungen).

2.4. Kommunikationsmodell

Menschliche Kommunikation ist ein äußerst komplexes Geschehen. Deshalb soll uns ein einfaches Modell aus der Nachrichtentechnik zu besserem Verständnis verhelfen (Mitte der 40-er Jahre des 19. Jahrhunderts).

Das Modell ist an sich banal (wie viele Modelle), das Wissen um die verschiedenen Komponenten der Kommunikation kann uns aber helfen, sowohl Kommunikation selbst als auch Kommunikationsstörungen besser zu verstehen.

Grundsätzlich muss eine Nachricht vom Sender verschlüsselt (enkodiert) und vom Empfänger entschlüsselt (dekodiert) werden. Das heißt der jeweilige Sender fasst seine Nachricht in Lauten (beim Sprechen) oder in Zeichen (beim Schreiben) ab, die vom Empfänger entschlüsselt (dekodiert) werden müssen.

Dem Kommunikationsprozess im zwischenmenschlichen Bereich wird dieses Modell allerdings nicht gerecht, da es Wechselwirkungen zwischen Sender und Empfänger nicht berücksichtigt. Menschliche Kommunikation ist ja keine Einbahnstraße.

Der Ratsuchende (z.B. Ehemann) und der Seelsorger sind sowohl Sender als auch Empfänger von Information. Dass es dabei um viel mehr als um das gesprochene Wort geht, ist klar. Als Funktionsmodell dargestellt würde das in etwa so aussehen wie auf Seite 10 dargestellt.

Wörter oder Begriffe sind keine festen Größen, auf die es bestimmte richtige oder falsche Reaktionen gibt. Kommunikation ist sehr vielschichtig und wir müssen unser Modell weiter ausbauen. So kommen wir zunächst zu den verschiedenen Aspekten der Kommunikation, um uns einige Dinge bewusst zu machen, die normalerweise unbewusst (entweder richtig oder falsch) ablaufen. Das Wissen um diese unterschiedlichen Aspekte ist teilweise sehr praktisch und kann im Umgang mit anderen sehr hilfreich sein!

3. Aspekte der Kommunikation:

Beispiel: Eine Frau sagt zum Seelsorger/in: „Mein Mann ist nie zu Hause.“

Diese kurze und einfache Aussage (sechs Worte, 21 Buchstaben) ist eine Nachricht, die hinsichtlich verschiedener Aspekte analysiert werden kann. Wir sehen dabei, dass die Sache gar nicht so einfach ist, wie sie zunächst scheint.

3.1. Sachaspekt (Sachinhalt)

Die Nachricht der Ehefrau enthält zunächst eine rein sachliche Information, nämlich die, dass ihr Mann sich (selten bis) nie in der ehelichen Wohnung aufhält. Das heißt diese Aussage ist klar, sachlich, verständlich, offen. Man ist sich einig darüber, was mitgeteilt wird. Der Sachaspekt bezieht sich also auf die objektiven Gegebenheiten, er vermittelt Fakten.

Kurz: Es geht darum, worüber ich informieren möchte.

Allerdings bringt die Ratsuchende mit ihrer Äußerung noch viel mehr zum Ausdruck; der Sachaspekt ist nur die „Spitze des Eisbergs“:

3.2. Selbstoffenbarungsaspekt

Jede Nachricht enthält auch Informationen über die Person des Senders, z.B. dass sie Deutsche – oder zumindest der deutschen Sprache mächtig – ist. Außerdem, dass sie sich verlassen fühlt, dass sie deprimiert ist etc. Sie teilt also indirekt etwas über sich selbst mit, über ihre Befindlichkeit, Pläne, Wünsche etc. Den meisten wäre es wahrscheinlich sehr unangenehm, wenn sie wüssten, dass sie etwas über sich selbst aussagen, was sich der willentlichen Kontrolle weitgehend entzieht.

Was sagt die Frau möglicherweise über sich selbst?

  • „Ich fühle mich im Stich gelassen.“ (Enttäuschung über ihren Mann)
  • „Alles andere ist ihm wichtiger als ich.“ (Kränkung)
  • „Er kann mir bald gestohlen bleiben.“ (Wut, Aggression)

Kurz: Es geht darum, was ich selbst von mir kundgebe (gewollt oder ungewollt).

Was die Frau wirklich meint, kann nur erschlossen werden. In diesem Zusammenhang spielt das „Lesen zwischen den Zeilen“ eine große Rolle. Ich gehe später unter dem Thema „nonverbale Kommunikation“ darauf ein.

3.3. Beziehungsaspekt

Durch ihre Äußerung teilt die Ehefrau indirekt auch etwas über ihre Beziehung zum Seelsorger (und natürlich auch zu ihrem Ehemann) mit. Mit der Nachricht wird also gleichzeitig etwas über die Qualität der Beziehung des Redenden (Sender) zum Hörenden (Empfänger) vermittelt.

Mögliche Mitteilung: „Zu Ihnen habe ich Vertrauen und würde gerne mehr erzählen…“

In der Regel nehmen wir den Beziehungsaspekt sehr sensibel wahr und reagieren empfindlich darauf: Sehr schnell fühlen wir uns in Frage gestellt, nicht ernst genommen oder korrigiert. Wir wissen um die Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen, die „alles sehr persönlich nehmen“. Schon die banale Frage: „Darf ich Ihnen in den Mantel helfen?“ kann die Reaktion auslösen: „Meinen Sie, ich kann das nicht allein?“

Kurz: Beim Beziehungsaspekt geht es darum, wie ich zu meinem Gegenüber stehe.

Je unklarer eine Beziehung ist, desto eher wird eine Nachricht falsch interpretiert.

3.4. Appellaspekt

Mit einer Botschaft verbinden wir in der Regel eine bestimmte Absicht, d.h. wir wollen etwas damit erreichen, was wir uns vielleicht nicht direkt zu sagen getrauen.

Kurz: Es geht darum, wozu ich dich veranlassen möchte.

Mit der lapidaren Aussage: „Wir haben keinen Kaffee mehr“ verknüpft der Ehemann eindeutig die Erwartung, dass seine Frau möglichst bald einkaufen geht.

Auch die Frau in unserem Beispiel verknüpft mit ihrer Aussage (bewusst oder weniger bewusst) eine Absicht/Erwartung:

  • „So kann es nicht weitergehen, was soll ich tun?“
  • „Könnten Sie vielleicht einmal mit meinem Mann reden?“ etc.

Der Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsaspekt werden oft genutzt, um einem Appell Nachdruck zu verleihen, wie dieses nette (fiktive) Beispiel zeigt:

Beispiel: Martha sagt schluchzend zu ihrem Mann: „Ich habe gar nichts anzuziehen.“ Der Appell ist deutlich: „Ich möchte mir ein neues Kleidungsstück kaufen!“ Sie vermittelt Unglücklichsein [Selbstoffenbarung] und gibt ihrem Mann das Gefühl, dass nur er (denn er ist ja ein guter Ehemann) in der Lage ist, diesen unerträglichen Zustand zu beenden [Beziehung].

Welch‘ ungeheurer Reichtum liegt doch in unserer Fähigkeit zur Kommunikation!

3.5. Aspekt bezogene Reaktionen

Wir wollen festhalten, dass ein und dieselbe Nachricht viele verschiedene Botschaften enthalten kann. Wie wir sie interpretieren und wie wir darauf reagieren, hängt davon ab, welchen Aspekt bzw. welche Aspekte wir wahrnehmen und wie wir sie gewichten. Eine Ehefrau beispielsweise fühlt sich leicht unverstanden, wenn ihr Mann nur den Sachaspekt ihrer Botschaft wahrnimmt. Das ist oft ein großes Problem in Beziehungen. Im obigen Beispiel würde der Ehemann sagen: „Dein Kleiderschrank ist doch voll!“ – womit er möglicherweise nicht einmal Unrecht hätte – sie würde sich allerdings überhaupt nicht verstanden und ernst genommen fühlen.

Im Falle unseres Beispiels mit der Ehefrau („Mein Mann ist nie zu Hause.“) können wir als Gesprächspartner sehr unterschiedlich reagieren, je nachdem, auf welchen der vier Aspekte der Botschaft wir besonders eingehen:

  • Sachaspekt: „Es kann doch nicht sein, dass ihr Mann permanent auf Montage ist.“ oder „Seien Sie froh, dass er nicht dauernd zu Hause sitzt.“
  • Selbstoffenbarungsaspekt: „Na, so schlimm wird’s wohl nicht sein …“
  • Beziehungsaspekt: „Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das zu schaffen macht, wollen Sie mir mehr darüber erzählen?“
  • Appellaspekt: „Ich kann Ihren Mann nicht ändern, aber ich möchte gerne für Ihre Ehe beten…“

Bei den drei Freunden von Hiob war das Problem, dass sie hauptsächlich den Sachaspekt wahrnehmen! Sie sagten ja nicht nur Falsches, aber für Hiob waren sie dennoch „leidige Tröster“ (Hiob 16,2). Sie dachten folgendermaßen:

  1. Gott segnet die Gerechten und lässt die Sünder leiden;
  2. Hiob leidet;
  3. Also hat Hiob gesündigt!

Dagegen verlässt der Herr Jesus im Gespräch mit der Samariterin (Joh 4) sofort die Sachebene („Gib mir zu trinken!“) und ist nach wenigen Worten auf der Beziehungsebene, wo ihre eigentlichen Probleme lagen. Kurze Zeit später bekehren sich viele Samaritaner …

Noch eine Anmerkung: Es ist möglich, dass wir persönlichkeitsbedingt oder geschlechtsbedingt auf einen Aspekt im Kommunikationsprozess besonders ansprechen und reagieren:

  • Wenn dies der Sachaspekt ist, werden wir uns mit den Fakten begnügen – mit dem Resultat, dass uns das Erleben und die Gefühle des anderen weitgehend verschlossen bleiben werden. Unser Gegenüber fühlt sich unverstanden und möglicherweise auch nicht ernst genommen. Wahrscheinlich neigen Männer eher zu dieser Kommunikationsvariante.
  • Überbetonung des Selbstoffenbarungsaspektes erweckt den Eindruck einer egozentrischen Person, um die sich alles dreht.
  • Wenn wir den Beziehungsaspekt überbetonen, nehmen wir Aussagen unseres Gegenübers sehr schnell persönlich oder lassen uns in Beziehungen verstricken. Oder wir identifizieren uns mit ihm und verlieren die nötige Distanz. Es kann auch sein, dass Lob uns parteiisch macht („Sie verstehen mich wenigstens…“)
  • Menschen, die auf den Appellaspekt besonders stark ansprechen, sehen für sich selbst überall Aufgaben. Sie meinen, dem Gegenüber die Probleme aus dem Weg räumen zu müssen und fühlen sich deshalb möglicherweise schnell überfordert oder auch ausgenutzt. Oft sind dies Menschen, die nicht „Nein“ sagen können oder solche, die ein starkes Geltungsbedürfnis haben – wie jener Manager, der in ein Taxi springt und schreit: „Fahren sie mich irgendwo hin, ich werde überall gebraucht!“

Fazit: Für einen Seelsorger ist es wichtig, sich selbst einigermaßen zu kennen (vor allem die Schwachstellen), alle Aspekte der Kommunikation (einigermaßen) im Blick zu haben und sie (einigermaßen) richtig zu gewichten! Welcher Aspekt spricht mich besonders an?

Schwierigkeit: die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der verbalen Äußerung schließen Fehlinterpretationen und Missverständnisse ein5. Wir sind deshalb zusätzlich zu verbalen Äußerungen auf Signale angewiesen, die Unsicherheit reduzieren helfen: nonverbale Kommunikation.

4. Nonverbale Kommunikation

Wer aus dem Gesagten den Schluss zieht, besser gar nicht mehr zu reden, der ist damit nicht aus dem Schneider, denn es lässt sich auch ohne Worte viel vermitteln. Beispiel: Meine Enkel verzogen die Gesichter, als ich ihnen kürzlich Zucchinis aus unserem Garten anbot.

Das bedeutet: wir können auch ohne Worte, nonverbal (ohne die Verwendung von Sprache) etwas bzw. sogar sehr viel vermitteln! In diesem Fall entfällt der „Sachaspekt“, die drei anderen Aspekte kommen jedoch verstärkt zum Tragen.

Der Krimi-Autor Alfred Hitchcock sagte einmal: „Richtig verheiratet ist ein Mann erst dann, wenn er jedes Wort versteht, das seine Frau nicht gesagt hat!“

In Psalm 32,8 sagt der Herr, dass Er uns mit Seinen Augen (also nonverbal) leiten will. Was das wohl für unsere Nachfolge bedeutet?

Beispiel: Zuhörer eines Vortrages gähnen oder schauen dauernd auf die Uhr.

  • Selbstoffenbarungsaspekt: „mir ist furchtbar langweilig …“; „ich bin gestern zu spät ins Bett“ etc.
  • Beziehungsaspekt: „Wenn ich den Redner nicht so gut kennen würde, würde ich aufstehen und gehen.“
  • Appellaspekt: „Sei so gut und gönne mir jetzt eine Kaffeepause!“

Das heißt: Die Bedeutung von Wörtern kann durch nichtsprachliche (nonverbale) Äußerungen bestätigt, verändert, relativiert und sogar aufgehoben werden. Integrität und Echtheit werden wir dadurch vermitteln, indem verbales und nonverbales Verhalten übereinstimmen – das sollte ein normales Kennzeichen eines Gläubigen sein.

Beispiel: Ein Vater sagt zu seinem Sohn: „Warte, ich helf‘ dir gleich!“ Er kann damit je nach Situation, Stimmlage. Lautstärke, Gestik und Mimik etc. ganz unterschiedliches ausdrücken: Zuneigung und Anteilnahme, aber auch Warnung und Drohung.

Verbale Kommunikation

  • was wird gesagt?
  • Kontrolle leicht möglich
  • vermittelt einfach „Daten“ (Sachinhalts-Aspekt)
  • Sprache willkürlich kodiert digital (z.B. Begriffe wie „Haus“, „Baum“)

Nonverbale Kommunikation

  • wie wird es gesagt? („Der Ton macht die Musik“)
  • eher spontan, wenig beeinflussbar
  • vermittelt, wie die Daten aufzufassen sind
  • nonverbale Signale analog (z.B. Bilder oder Gefühlsäußerungen)

Zwischenmenschliche Kommunikation ist eine Mischung von digitalen und analogen Modalitäten. Beispiel: Jemand kann sich digital mitteilen, wenn er etwas nicht verstanden hat, indem er sagt: „Das habe ich jetzt nicht verstanden“ oder aber analog, indem er die Stirn runzelt.

Und sie ist außerdem meist auch eine Kombination von verbalen und nicht-verbalen Elementen.

Verbale Kommunikation benötigt die Unterstützung der nonverbalen Kommunikation – und zwar auf zwei wichtigen Kanälen:

  • visuell-gesturalen Kanal (Mimik, Gestik)

=> averbale Kommunikation

  • audio-vokalen Kanal (Lautstärke, Stimmlage etc.)

=> paraverbale Kommunikation

1. Averbale Aspekte der Kommunikation („Körpersprache“)

  • Körperkontakt: Aggressionshandlungen, sexuelle Handlungen und Fürsorgehandlungen, Begrüßung/Abschied etc.
  • räumliche Nähe: jeder hat seine persönliche Distanz, auf deren Einhaltung er achtet (<0,50m intim, 1,50m zwanglos-persönlich, 3,50m sozial-konsultativ)
  • Körperhaltung: Indikator für Status, Gefühlszustand, Einstellung anderen Menschen gegenüber („kalte Schulter zeigen“; „die Stirn bieten“)
  • Äußere Erscheinung: Körperbau, Kleidung, Gesicht, Haar; Hände können Hinweise auf die soziale Gruppe/Beruf, Status, emotionalen Zustand o.ä. sein.
  • Mimik und Gestik: Das Gesicht mit seinen 26 Muskeln drückt oft sehr deutlich Gefühle aus (Glück, Überraschung, Trauer, Furcht, Wut, Ekel, Interesse etc.); diese Verhaltensweisen sind teilweise angeboren bzw. verknüpft mit Reaktionen des autonomen Nervensystems (z. B. Erröten, Erblassen, Weinen, Pupillenerweiterung). Am Gesichtsausdruck des Gegenübers kann ich z. B. erkennen, was es empfindet, ob das Gesagte verstanden wurde, ob es sich ernst genommen fühlt, ob ein Wechsel beim Sprechen erfolgen soll etc.
  • Hände: Unterstreichen bzw. illustrieren das Gesagte; (häufige Hand- Gesichts- Kontakte können Hinweis auf psychische Störung sein).
  • Kopfhaltung und Kopfbewegung: Nicken als Bekräftigung des Gesagten; Gegenteil: Kopfschütteln (in anderen Kulturen teilweise andere Bedeutung!)
  • Blickrichtung und Blickkontakt: Blickvermeidung zum Reduzieren von Aufregung, Vermeiden von Intimität, evtl. Scham. Der Aufbau von Beziehung ist weitgehend an Blickkontakt gebunden. Beispiel Autismus: soziale Kontaktstörung, bei der Körper- und Blickkontakt gemieden werden. Optimale Länge des Blickkontaktes: 3,3 Sekunden.

2. Paraverbale Aspekte der Kommunikation (Begleiterscheinungen des Sprechens):

  • emotionaler Tonfall gibt Hinweise auf die Gefühlslage (harte/weiche, laute/leise, warme/kalte Stimme etc.). Beispiel: Telefondienste in Japan, die Mut zusprechen!
  • Sprechtempo (schnelles, gehetztes bzw. langsames und schleppendes Sprechen etc.)
  • Sprechfehler als Hinweis auf unbewusste Wünsche („Freud’sche Fehlleistung“), Anspannung oder einfach auch Ermüdung
  • Akzent gibt Hinweise auf Status, Nationalität und Gruppenzugehörigkeit, Erziehung etc.
  • Regredieren auf den ursprünglichen Akzent bei starker Erregung, Angst, Stress
[Anm.: eine ‚feuchte Aussprache‘ kann zwar auch eine Begleiterscheinung des Sprechens sein, zählt aber nicht als ‚paraverbaler Aspekt‘!]

Soweit einige Erkenntnisse und Anregungen zum Thema Kommunikation. Wir sehen: Kommunikation ist ein sehr komplexes und kompliziertes Phänomen. Wissenschaftliche Modelle und Systematisierungen können uns zwar helfen, die Prozesse zu beschreiben und sie etwas besser zu verstehen, aber wir sollten nicht meinen, wir könnten durch psychologische Erkenntnisse jede kommunikative Äußerung richtig einschätzen, geschweige denn richtig darauf reagieren. Das beweist uns auch unsere Erfahrungen, denn es ist leider nicht zu vermeiden, dass es hin und wieder zu Kommunikationsstörungen kommt.

5. Kommunikationsstörungen

Dinge, die sehr komplex und kompliziert sind, sind oft auch sehr störanfällig. In „Der Kleine Prinz“ von Saint-Éxupery sagt der Fuchs zum Kleinen Prinzen: „Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse.“ Ja, es ist wirklich erschreckend, wie leicht und wie schnell es im zwischenmenschlichen Bereich zu Störungen im Miteinander kommt. Im Grunde handelt es sich um Kommunikationsprobleme. Viele Nöte in unserem Leben deuten auf eine gestörte Kommunikation mit anderen Menschen und v. a. mit dem Herrn hin – oder auch mit sich selbst. Beispiel: Jemand sagt sich bei allen Anforderungen: „Das kann ich nicht“ (Autosuggestion)

Beispiel: Frau Müller kommt mit ihrem Mann zur Beratung, der aber nur seiner Frau zuliebe mitgeht; er selbst sieht keine Probleme in der Ehe – die völlig unterschiedliche Einschätzung ein und derselben Situation lässt auf Störungen in der Kommunikation des Ehepaars schließen („Er versteht mich nicht …“„Ich weiß gar nicht, was sie hat“).

Paradox: Im sogenannten „Kommunikationszeitalter“ scheinen Kommunikationsprobleme verbreiteter zu sein denn je. Es geht eben nicht in erster Linie um die Quantität, sondern um die Qualität!

5.1. Bedingungen für die Entstehung von Kommunikationsstörungen

Im Folgenden wollen wir uns mit sechs verbreiteten Arten von Kommunikationsstörungen beschäftigen. Sie werden sich bestimmt hier und da wiederfinden. In einem späteren Punkt soll es dann darum gehen, diese Störungen zu vermeiden bzw. zu beheben.

5.1.1. Technische und semantische Probleme bei der Kommunikation

Technisch: Beeinträchtigung der Kommunikation durch äußere Faktoren (Lärm, äußere Unruhe, Telefon). Man sollte die Bedeutung dieses Punktes nicht unterschätzen.

Semantisch: Bedeutung der Zeichen (Wörter) nicht einheitlich. Es ist sehr leicht möglich, dass wir zwar dieselben Worte verwenden, jedoch etwas anderes darunter verstehen, d.h. wir „reden aneinander vorbei“.

Das trifft nach meiner Beobachtung auch immer mehr auf Christen zu. Nicht selten werden ein und dieselben Begriffe (Erlösung, Gnade, Seelsorge etc.) unterschiedlich verstanden und gelebt und führen zu Verwirrung und Spaltung. Grund: Die inhaltliche Füllung der Begriffe geschieht willkürlich, weil Gottes Wort immer weniger mit Ehrfurcht behandelt und ausgelegt wird.

5.1.2. Verweigerung verbaler Kommunikation

  • einfach nicht mit dem andern reden wollen (z. B. Kopfschmerzen oder Schläfrigkeit oder viel Arbeit vortäuschen) – obwohl natürlich auch dies Kommunikation ist, denn der Betreffende drückt damit sehr wohl etwas aus – auch wenn nicht geredet wird!
  • Entwertung dessen, was der andere sagt durch verschiedene Methoden, z. B. Themenwechsel, absichtliches Missverstehen, Überheblichkeit etc.
  • Abweisung; entweder deutlich sagen, dass man an einem Gespräch nicht interessiert ist oder sein Gegenüber einfach „abblitzen“ lassen
  • Ausweichen; nicht auf das eingehen, was dem Gegenüber wichtig ist etc.

5.1.3. Vermischung von Sach- und Beziehungsaspekt

Der Idealfall, der leider selten ist, sieht so aus: Zwei Individuen sind sich sowohl in Bezug auf den Inhalt ihrer Kommunikation als auch bezüglich ihrer Beziehung einig. Dazwischen liegen Mischformen:

1. Uneinigkeit auf Inhaltsebene und Einigkeit auf Beziehungsebene

(= Harmonie in der Beziehung trotz unterschiedlicher Meinung – dies ist auch unter Christen sehr erstrebenswert). Beispiel: geschwisterliches Verhältnis trotz unterschiedlicher Meinung (z.B. zum Thema Zungenrede, Haarlänge, Politik etc.)

Allerdings: Es darf keine Einigkeit auf Kosten der Wahrheit geben! Manchmal muss man seinem Gegenüber wirklich sagen: „Wenn ich dir in diesem Punkt recht gebe, dann tue ich unrecht, dann bin ich dem Herrn untreu!“

2. Einigkeit auf der Inhaltsebene und Uneinigkeit auf der Beziehungsebene

Die Beziehung wird nur durch ein temporäres gemeinsames Ziel aufrechterhalten (z.B. häufig der Fall beim gemeinsamen Bau eines Hauses; wenn dann das „Werk“ fertig ist, geht die Ehe in die Brüche).

Uneinigkeit zwischen Kommunikationspartnern entsteht oft dadurch, dass Sach- und Beziehungsebene vermischt werden.

Beispiel: Ein Mann legt nach einer Missionsveranstaltung einen Scheck über 1.000 Euro in den Korb; seine Frau macht ihm gewaltige Vorwürfe, als sie davon erfährt, es gibt Streit („Wie kannst du nur so viel Geld spenden …“)

Analyse: Auch die Frau sieht die Spende als richtig an (sachliche Ebene), aber sie fühlt sich übergangen und reagiert deshalb ungehalten (Beziehungsebene). Es geht bei der Auseinandersetzung nicht primär um das Geld, sondern um das verletzte Selbstwertgefühl, das gekränkte Ich! („Wie kann er nur so viel Geld weggeben, ohne sich vorher mit mir abzusprechen“). Auch diese Art der Kommunikationsstörung dürfte uns nicht ganz fremd sein.

Bei vielen Problemen in Gemeinden, Betrieben und Ehen werden wir feststellen, dass ihre scheinbare Unlösbarkeit mit der Vermischung beider Aspekte zu tun hat.1

Beziehungsprobleme werden unlösbar, wenn man versucht, sie auf der Sachebene auszutragen; es kommt dann zu den unsinnigsten Streitereien. Es ist deshalb wichtig, dass der Seelsorger erkennt, woran die Kommunikation krankt; Beziehungsprobleme können jedenfalls nicht allein auf der Sachebene gelöst werden (dazu neigen Männer eher als Frauen).

5.1.4. Falsche Interpunktion

In einer Kette von Ereignissen oder Interaktionen ist es immer willkürlich, festlegen zu wollen, was Ursache und was Wirkung ist. Probleme ergeben sich hier also aufgrund unseres kausalistischen Denkens (Ursache – Wirkung).

Beispiel: Ein typischer Konflikt bei einem Ehepaar kann darin bestehen, dass der Mann in seinem Rückzugsverhalten die einzige Möglichkeit sieht, sich gegen das Nörgeln seiner Frau zur Wehr zu setzen: „Ich kann dir ja nichts recht machen, deshalb ziehe ich mich zurück.“ Die Ehefrau ihrerseits sieht gerade im Rückzug ihres Mannes den Grund ihrer permanent geäußerten Unzufriedenheit, die sie dann auch zum Ausdruck bringt. Auf einen Nenner gebracht tauschen beide permanent folgende Botschaften aus: „Ich meide dich, weil du nörgelst.“ und „Ich nörgle, weil du mich meidest.“ Graphisch lässt sich dieses fatale Interaktionsmuster folgendermaßen darstellen:

Ich möchte hier etwas Humorvolles einfügen. Der Klassenlehrer fragt: „Wer hat die Schlägerei begonnen?“ Thomas betreten: „Es fing damit an, dass Erich zurückschlug!“ – Wir sehen: Schuld ist immer der andere.

Beispiel: Auf politischer Ebene geschieht oft dasselbe: Wettrüsten; Land X hat immer einen Grund aufzurüsten, wenn es behauptet, Land Y sei überlegen; Land Y seinerseits nimmt das Aufrüsten von Land X als Alibi für seine eigenen militärischen Anstrengungen. In der Praxis läuft dieses Pingpong rückwärts (also von der Gegenwart in die Vergangenheit gerichtet).

Beispiel: „Partner-Pingpong“ (aus einer Zeitung):

Sie zündet sich nach dem Frühstück eine Zigarette an.

Er: „Musst du unbedingt schon so früh am Tag deine Gesundheit ruinieren?“

Eine vorbildliche Frau hätte vielleicht geantwortet: „Du hast recht, Liebling, ich werde versuchen, das Rauchen aufzugeben.“ Aber sie ist keine vorbildliche Frau, also sagt sie gereizt: „Es ist ja meine Gesundheit!“

Er: „Und es ist meine Wohnung, die du vollqualmst.“

Sie: „Unsere!“

Er: „Wer zahlt eigentlich die Miete dafür?“

Sie: „Und wer rackert sich ab, um sie in Ordnung zu halten?“

Er wirft die Serviette hin: „Kann man nicht einen Tag ohne Krach frühstücken?“

Sie: „Ich habe nicht angefangen.“

Er: „Nein, du fängst ja nie an. Wie war das zum Beispiel vorgestern nach dem Kino?“

Sie: „Den blöden Film hattest doch du ausgesucht!“

Er: „Liebe Güte, diese Logik! Immer kommst du vom Thema ab.“

Sie hält sich symbolisch die Ohren zu: „Und du fängst immer gleich an zu brüllen. Das war damals in Palma schon so, da hast du das halbe Hotel aufgeweckt…“

Wir schmunzeln – und kennen dieses unselige Kommunikationsmuster doch zur Genüge aus eigener Erfahrung.

Wir müssen uns Kommunikation als einen ununterbrochenen Austausch von Mitteilungen vorstellen: Jedes Verhalten ist Ursache und Wirkung zugleich. Deshalb ist es in der Regel müßig, bei zwischenmenschlichen Konflikten den (alleinigen) Verursacher ausfindig machen zu wollen.

Das heißt allerdings nicht, dass sich die Frage nach der Schuld dadurch erübrigen würde. Wo Schuld vorliegt, kann es nur durch Vergebung zu einer Lösung kommen.

5.1.5. Symmetrische und komplementäre Kommunikation

Von symmetrischer Kommunikation spricht man dann, wenn beide Kommunikationspartner dem anderen gegenüber dasselbe Verhalten zeigen können: beide können Vorschläge machen, einander kritisieren, sich Ratschläge geben etc. (Ehepartner, Umgang mit Geschwistern). Das heißt, sie stehen sich ebenbürtig gegenüber, sie bewegen sich auf „Augenhöhe“.

Komplementarität ist dann gegeben, wenn beide Partner (evtl. aufgrund einer Rangordnung) unterschiedliche Verhaltensweisen zeigen, die sich aber ergänzen und aufeinander zugeschnitten sind: Der eine fragt, der andere antwortet; der eine lehrt, der andere lernt etc. Komplementarität kann sich auch in der Redezeit ausdrücken.

Die Beziehung eines Kleinkindes zu seinen Eltern ist zunächst von Komplementarität geprägt, muss aber mit zunehmendem Alter und zunehmender Reife verstärkter Symmetrie Platz machen. Viele Störungen resultieren aus der Tatsache, dass Eltern sich nicht richtig auf die Entwicklung ihrer Kinder einstellen. (Beispiel: Ein Vater beharrt auf der komplementären Kommunikation mit seinem 18-jährigen Sohn, indem er ihm laufend Anweisungen gibt).

In der Seelsorge kann komplementäre Interaktion blockierend wirken, weil der Seelsorger den Ratsuchenden nicht ernst nimmt oder dessen Neigung zur Regression unterstützt. Auf der anderen Seite ist auch ein kumpelhaftes „wir werden die Nuss schon knacken“ kontraproduktiv.

Beide Formen der Kommunikation haben ihre Bedeutung, jedoch auch ihre Grenzen.

Beispiel: Beim Herrn Jesus finden wir immer die richtige Mischung von symmetrischer und komplementärer Interaktion, z.B. in der Begegnung mit der kanaanäischen Frau (Mt 15,21-28): Er lässt sich einerseits auf ein ganz „normales“ Gespräch mit ihr ein (Er lässt sich für die damalige Zeit herab, mit einer Frau zu reden), zeigt aber andererseits Seine Souveränität und Macht.

5.1.6. Paradoxe Kommunikation

Damit ist gemeint, dass innerhalb der verbalen bzw. der verbalen und nonverbalen Kommunikation Widersprüche liegen. Einfaches Beispiel:

Es ist offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmt!

Weniger lustig: Eine Mutter schimpft ihre Kinder wegen deren Unselbständigkeit, tut aber andererseits alles, um sie in der Abhängigkeit zu halten.

Beispiel: Seelsorger zum Ratsuchenden: „Als Christ müssten Sie sich doch freuen!“

Analyse: Wenn ein (möglicherweise sogar depressiv strukturierter) Ratsuchender sich freuen könnte, hätte er möglicherweise gar keinen Seelsorger aufgesucht. Die Aufforderung, etwas zu empfinden (nämlich Freude), was gar nicht da ist, kann Ratsuchende in weitere Nöte bringen und ihn bspw. zum Heuchler machen (dies ist besonders dann aktuell, wenn der Seelsorger rasche „Erfolge“ sehen will).

Die Entstehung von Schizophrenie wird u. a. damit erklärt, dass dem Individuum in seiner früheren Kindheit häufig paradoxe Handlungsaufforderungen gegeben wurden.

Beispiel: Der Vater sagt mit einer lauten Stimme, die das Gegenteil von Annahme und Liebe ausdrückt: „Komm auf meinen Schoß!“ Das Kind ist unsicher, welcher Wahrnehmung es trauen soll …

Exkurs: Die Bibel erwähnt übrigens einige Situationen, in denen die sogenannten Frommen Jesus in paradoxe Situationen brachten; und es ist sehr interessant, wie der Herr damit umging. In Matthäus 22,15-22 versuchten die Jünger der Pharisäer, Ihn mit der Frage nach der Steuer aufs Glatteis zu führen. Was hättest du auf diese Frage („Ist es erlaubt, dem Kaiser die Steuer zu geben, oder nicht?“ [Vers 17]) geantwortet? Der Herr meistert die Situation jedenfalls souverän. Ein weiteres Beispiel: Jesus und die Ehebrecherin (Joh 8,2-11).

Jeder kennt wahrscheinlich irgendjemanden, der sich widersprüchlich (paradox) verhält und dem man es nie recht machen kann, egal was man tut. Normale Folge: Man meidet diesen Menschen.

6. Erfolgreiche Kommunikation

Wenn Kommunikation nicht rund läuft, erleben wir das in der Regel als Spannung. Die Frage ist, was wir „prophylaktisch“ tun können?

Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würde das Beherzigen einiger Kommunikationsregeln jegliche Kommunikations- und damit auch Beziehungsprobleme verhindern. Wir alle erfahren ja immer wieder, wie wir trotz besseren Wissens Dinge tun, die nicht in Ordnung sind. Wieviel mehr gilt das für unsere Zunge, die Jakobus als ein „… unstetes Übel, voll tödlichen Giftes“ (Jak 3,8) bezeichnet. Dennoch dürfen wir auch in diesem wichtigen Bereich unseres Lebens dazulernen. Im Folgenden sei deshalb nur auf einige Dinge hingewiesen, die wir in bestimmten Situationen bedenken sollten. Das ist eine ziemliche Herausforderung, aber Gott hat uns erfreulicherweise so konstruiert, dass wir über ausreichend geistige Kapazität verfügen, die uns befähigt, neben dem Zuhören auf eine Menge anderer Signale zu achten (v.a. nonverbale Signale) und sogar „vorauszudenken“ (d.h. Fragen, Stellungnahmen, Antworten etc. im Voraus zu überlegen).

Ganz neue Dimensionen der Kommunikation tun sich seit einigen Jahren durch die Möglichkeiten der modernen Medien auf. Wir sollten selbstkritisch beobachten, wie sehr uns diese faszinierenden elektronischen Kommunikationsmittel bestimmen.

Das international tätige Flurry-Institut stuft weltweit 870 Millionen Menschen als Handy- und Smartphone-süchtig ein.2 Das Sicherheits-Unternehmen AVG (Holland) hat in einer Untersuchung festgestellt, dass Smartphones zunehmend das familiäre Zusammenleben (Kommunikation) beeinträchtigen.

6.1. Exkurs: Geschlechtsspezifische Unterschiede

Auch wenn im Zuge von „Gender Mainstreaming“ Geschlechtsunterschiede zunehmend geleugnet werden, zeigen sich diese doch nicht nur beim Temperaturempfinden, sondern vor allem auch in der Art verbaler Kommunikation. Diese Unterschiede werden in vielen Witzen karikiert, und ich weiß nicht, ob dadurch über die Frauen oder über die Männer mehr Vorurteile (oder Weisheiten?) verbreitet werden.

Ein humorvoll gemeintes Beispiel: Da fragt der Scheidungsrichter den Mann: „Warum haben Sie mit ihrer Frau ein Jahr lang nichts gesprochen?“ – Ehemann: „Ich bin ein höflicher Mensch; ich wollte sie nicht unterbrechen.“

Tatsache ist jedoch, dass das Kommunikationsbedürfnis schon bei kleinen Mädchen ausgeprägter ist als bei Jungs: sie lernen früher sprechen und sind sprachlich flexibler als Jungs. Daraus entwickelt sich ein lebenslanges Talent: Der durchschnittliche Mann redet pro Tag 20.000 Wörter, die durchschnittliche Frau ca. 30.000! Wenn der Mann abends von der Arbeit kommt, kann es sein, dass er – je nach Beruf – seinen Vorrat bis auf etwa 50 Worte aufgebraucht hat, die Frau hat noch mindestens einen Vorrat von 10.000 Worten. Da sind Probleme vorprogrammiert. Natürlich gibt es auch hier im Zuge zunehmender Berufstätigkeit von Frauen Verschiebungen.

Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass Männer eher darüber reden, was sie denken, während Frauen eher ihre Gefühle mitteilen. Diese Unterschiede gilt es zu beachten, wenn Kommunikation (speziell in der Ehe) erfolgreich sein soll.

Laut Prof. Kurt Hahlweg, Psychologe von der Uni Braunschweig, bestätigen empirische Untersuchungen geschlechtsspezifische Unterschiede in der Kommunikation. Besonders Männer würden dazu erzogen, keine Schwächen zu zeigen, das bedeute auch: nicht über Probleme zu reden! Frauen dagegen neigen in der Partnerschaft dazu, die Mutterrolle einzunehmen; oft wollen sie ihren Partner grundlegend ändern, wozu sie sich v.a. der Sprache bedienen.

Meines Erachtens ist es allerdings nicht erstrebenswert, dass Männer in derselben Intensität über ihre Gefühle reden können wie Frauen. Wer Erfahrungen mit Frauengruppen hat (ich habe ein Jahr in einem Mädchenwohnheim gearbeitet!), der weiß, dass die Überbetonung des Beziehungsaspektes – zu dem Frauen neigen – auch Nachteile haben kann. Natürlich ist auch die männliche Eigenart, sich eher auf der Sachebene zu bewegen, nicht gerade erfüllend. Über die oft belächelte Einsilbigkeit der Männer gibt es natürlich auch Witze. Z.B. sagt der eine Mann zum anderen: „Du könntest mich ja auch mal fragen, wie’s mir geht!“ Fragt der andere Mann: „Und, wie geht es dir?“ Antwortet der Erste: „Ach, frag‘ mich bloß nicht!“

Es ist verkürzt, Geschlechtsunterschiede im Kommunikationsverhalten allein mit Sozialisation (Erziehung) erklären zu wollen. Viele neurophysiologische Untersuchungen weisen gewaltige Unterschiede in den Gehirnstrukturen von Männern und Frauen nach, die sich natürlich auch im Kommunikationsverhalten ausdrücken. Wenn verbale Kommunikation speziell zwischen Mann und Frau gelingen soll, dann gilt es auch, die geschlechtsabhängigen Unterschiede im Wahrnehmen, Denken und Empfinden und der Kommunikation zu berücksichtigen.

Ich beschließe diesen interessanten Punkt mit einem Zitat von James Dobson: „Viele Frauen verlieben sich in den starken, stillen Typ und lehnen ihn dann (als Ehemann) für den Rest ihres Lebens ab, weil er zu wenig mit ihnen spricht.“

6.2. Metakommunikation

Unter Metakommunikation verstehen wir „Kommunikation über Kommunikation“, d.h. wir machen die Kommunikation selbst zum Thema.

Beispiel: Erinnern wir uns an den Ehemann, der bei der einer Missionsveranstaltung ohne Absprache mit seiner Frau einen größeren Geldbetrag spendet. Das Problem wäre schnell behoben, wenn sie zum Beispiel sagen würde: „Ich finde es ja richtig, dass wir Missionare unterstützen, aber ich fühlte mich einfach übergangen und hätte es richtig gefunden, wenn du vorher mit mir darüber gesprochen hättest …“ Der Ehemann hätte dafür Verständnis zeigen und um Vergebung bitten können und die Störung wäre beseitigt gewesen.

Metakommunikation besteht darin, die Art des Redens und des Umgangs miteinander zum Gegenstand des Gesprächs zu machen. Sie verlangt den Mut zur Selbstoffenbarung (z.B. „Deine Äußerung hat mich verletzt“). Da Metakommunikation für manchen etwas ungewohnt ist, kann es hilfreich sein, bei Beziehungsproblemen einen „Kommunikationshelfer“ (z.B. Seelsorger) hinzuzuziehen, damit v.a. über die Art des Umgangs miteinander gesprochen werden kann.

In der Seelsorge ist Metakommunikation ein wesentliches Element (ebenso in Supervision und Psychotherapie).

An dieser Stelle möchte ich nochmals an die sechs Punkte erinnern, über die wir im Zusammenhang der Entstehung von Kommunikationsstörungen [5.1.] kennengelernt haben:

  • Technische und semantische Probleme bei der Kommunikation
  • Verweigerung von Kommunikation
  • Vermischung von Sach- und Beziehungsaspekt
  • Falsche Interpunktion
  • Symmetrische und komplementäre Kommunikation
  • Paradoxe Kommunikation

6.3. Faktoren des Gelingens von Kommunikation, speziell in der Seelsorge

Die folgenden, eher praktischen, Hinweise sind nicht nach Wichtigkeit geordnet und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Banaler Hinweis: Gott hat dem Menschen einen Mund, jedoch zwei Ohren gegeben – das ist bestimmt kein Konstruktionsfehler. Möglicherweise will ER uns dadurch auch etwas zum zeitlichen Gebrauch beider Organe sagen. Außerdem: Wer schweigt, kann besser zuhören. „Ihr wisst doch, meine geliebten Brüder: Jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn!“ (Jak 1,19)
  • Wir sollten uns um verständliches Reden bemühen. Kommunikationstheoretisch heißt das, dass wir Information so kodieren, dass unser Gegenüber in der Lage ist, sie zu dekodieren. Das kann beispielsweise bedeuten, dass wir uns bei der Wortwahl auf unser Gegenüber einstellen und damit „Dekodierungsprobleme“ vermeiden. Wir brauchen keine psychotherapeutische Ausbildung und den damit verbundenen Wortschatz, um seelsorgerlich helfen zu können. Verständliches Reden zeichnet sich vor allem auch durch Einfachheit aus.4 Ein klares, geradliniges Denken wird sich auch in unserer Sprache niederschlagen.
  • Hilfsmittel zur Einschätzung der Verständlichkeit von Kommunikation (hilfreich für Prediger, Lehrer, Referenten etc.):
  • Wir müssen uns bewusst sein, dass Reden, speziell das seelsorgerliche Gespräch, eine verantwortungsvolle Tätigkeit ist. Ernst Jünger sagte: „Worte sind wie Steinwürfe; wir wissen nicht, wen sie hinter der Mauer der Zeit treffen“. Wie schnell ist etwas gesagt, was nie mehr ungesagt gemacht werden kann!

„Werdet nicht viele Lehrer, meine Brüder, da ihr wisst, dass wir ein schwereres Urteil empfangen werden! Denn wir alle straucheln oft. Wenn jemand nicht im Wort strauchelt, der ist ein vollkommener Mann, fähig, auch den ganzen Leib zu zügeln. Wenn wir aber den Pferden die Zäume in die Mäuler legen, damit sie uns gehorchen, lenken wir auch ihren ganzen Leib. Siehe, auch die Schiffe, die so groß und von heftigen Winden getrieben sind, werden durch ein sehr kleines Steuerruder gelenkt, wohin das Trachten des Steuermanns will. So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rühmt sich großer Dinge. Siehe, welch kleines Feuer, welch einen großen Wald zündet es an! Auch die Zunge ist ein Feuer; als die Welt der Ungerechtigkeit erweist sich die Zunge unter unseren Gliedern, ‹als diejenige›, die den ganzen Leib befleckt und den Lauf des Daseins entzündet und von der Hölle entzündet wird. Denn jede Art, sowohl der wilden Tiere als auch der Vögel, sowohl der kriechenden als auch der Seetiere, wird gebändigt und ist gebändigt worden durch die menschliche Art; die Zunge aber kann keiner der Menschen bändigen: ‹sie ist› ein unstetes Übel, voll tödlichen Giftes“ (Jak 3,1-8).

Matthäus 15,11.18 spricht von der Verunreinigung des Menschen durch sein Reden:

„Nicht das, was zum Munde eingeht, verunreinigt den Menschen; sondern was aus dem Munde herauskommt, das verunreinigt den Menschen. Was aber aus dem Munde herauskommt, das kommt aus dem Herzen, und das verunreinigt den Menschen.“

Es muss klar sein, was recht und was unrecht ist. Bezugsrahmen aller Gesprächsinhalte ist das Wort Gottes; von ihm her müssen alle Aussagen (die des Ratsuchenden und des Seelsorgers) beurteilt werden. Psalm 119,104 sagt: „Aus deinen Vorschriften empfange ich Einsicht.“

Und Psalm 119,23 bezeugt: „Deine Zeugnisse sind meine Lust, mein Ratgeber sind sie“.

Gerade im Gespräch über Gefühle und Empfindungen ist eine „Bezugsgröße“ nötig, da wir sonst leicht ins Schwimmen geraten. So schön es ist, jemanden zu haben, der einen versteht, so wichtig ist auch das Korrektiv. Es ist nicht immer hilfreich, sich nur „verstanden“ zu fühlen (vgl. Gesprächspsychotherapie).

  • Geeigneten äußeren Rahmen schaffen, dafür sorgen, dass der Kommunikationsprozess nicht gestört wird durch Zeitdruck, Unruhe, Telefon etc. Dies betrifft das seelsorgerliche Gespräch, aber auch das Gespräch mit der Ehefrau, dem Kind etc. Es ist etwas sehr Wertvolles, seinem Gegenüber ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
  • Wahrhaftigkeit: Unser Reden muss auf zwei Pfeilern stehen: Wahrheit und Liebe. Wahrheit ohne Liebe ist hart und verletzend, Liebe ohne Wahrheit ist Gefühlsduselei. Wahrheit kann verletzend sein, wenn die Liebe fehlt – aber sie ist heilend, wenn sie von Liebe getragen wird.

Erinnern wir uns an die „paradoxe Kommunikation“: Wenn wir Widersprüchlichkeiten zwischen unserem Reden und Verhalten oder innerhalb unserer Aussagen vermeiden, erfährt uns unser Gegenüber als integer und authentisch. In der Seelsorge sollte der Ratsuchende von Anfang an zur Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit verpflichtet werden; dabei kann ihm der Seelsorger als Vorbild (Modell) dienen. Falls es dem Ratsuchenden (noch) schwerfällt, die Wahrheit zu meinem bestimmten Punkt zu sagen, soll er lieber schweigen – dies muss der Seelsorger akzeptieren.

Beispiel: Wer jemals mit Menschen mit Abhängigkeitsproblemen zu tun hatte (egal ob Alkohol, Drogen, Pornografie oder Glückspiel) weiß, wie zerstörerisch die Lüge ist. Ein typisches Kennzeichen von Suchtkranken ist, dass Lügen zum Lebensstil geworden ist.

  • Der Seelsorger sollte sich selbst prüfen und wissen, wo seine eigenen Schwachstellen sind. Beispiel: Auch ein Seelsorger besitzt möglicherweise ein Stück Eitelkeit; er darf sich nicht „fangen“ lassen, wenn ihm auf der Beziehungsebene Bewunderung vermittelt wird, weil er sich damit in die Gefahr der Parteilichkeit begibt.
  • Der Seelsorger sollte seine Zunge im Zaum halten können (Spr 13,3; Jak 3,2 etc.); keine vorschnellen Ratschläge, keine „frommen“ Sprüche.

Es kann passieren (und das ist sehr demütigend), dass es uns wie Mose geht (2Mos 12,12-14), der, nachdem er den Ägypter erschlagen hatte, von einem Stammesgenossen zur Rechenschaft gezogen wurde.

Paulus drückt es in 1. Korinther 9,27 so aus: „sondern ich zerschlage meinen Leib und knechte ihn, damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerflich werde.“

  • Der Seelsorger muss über die Art und Weise des Miteinander-Redens nachdenken und ggf. das Gespräch darüber führen (vgl. die Ausführungen über Metakommunikation). Unklarheiten hinsichtlich eines Aspektes der Kommunikation müssen thematisiert werden;

Beispiel: Der Seelsorger zum Ratsuchenden: „Sie sagen, dass es Ihnen nichts ausmacht, wenn Ihr Mann so viel am Computer sitzt und haben dabei doch feuchte Augen…“. Das persönliche Ergehen wird durch non-verbale Signale oft besser ausgedrückt als durch Worte – wir müssen es nur wahrnehmen und auch zur rechten Zeit thematisieren.

  • Da dyadische Kommunikationssysteme dazu neigen, eine eigene Dynamik zu entwickeln („sich im Kreis drehen“ bzw. „sich hochschaukeln“) ist eine „gesunde“ Distanz des Seelsorgers zum Ratsuchenden notwendig. Bei eigenen Verstrickungen (z.B. bei eigenen Eheproblemen) besteht die Notwendigkeit, einen „Dritten“ einzubeziehen: in erster Linie den Herrn, aber auch einen Außenstehenden (evtl. anderer Seelsorger). Wenn wir es mit Ehe- und Partnerschaftsproblemen zu tun haben, sollten wir möglichst mit beiden Partnern reden und uns die Kommunikationsstrukturen genauer ansehen. Oft findet sich dann ein Ansatzpunkt.
  • Der Seelsorger darf sich nicht in Ursache-Wirkungs-Kreisen fangen lassen; dies kann v. a. bei der Klärung von Beziehungsproblemen fatal werden. (Wer hat mit dem Streit angefangen? Etc.)
  • Die eigene Kommunikation mit Gott muss funktionieren. Es bedarf der inneren Vorbereitung durch Gebet mit der Bitte um Weisheit, richtiges Hinhören, Konzentration etc. Das Wissen um kommunikationspsychologische Zusammenhänge kann uns als Werkzeug dienen, darf uns aber nicht selbstsicher machen.
  • Der Seelsorger sollte sich bewusst sein, dass hinter Kommunikationsstörungen (letztlich immer) Sünde steht (vgl. Adam und Eva nach dem Sündenfall). Mit Sünde muss biblisch umgegangen werden: Erkenntnis, Bekenntnis, Vergebung, Umkehr.

6.4. Schweigen ist Gold: Grenzen verbaler Kommunikation

In unserer Zeit wird sehr viel gesprochen oder kommuniziert. Dadurch hat diese Zeit sogar einen Namen erhalten: Kommunikationszeitalter. Kommunikation kennt keine Grenzen mehr. In der Wirtschaft (Politik) zählt die Kommunikationsfähigkeit zu den „Schlüsselqualifikationen“.

Es gibt Menschen, die sehr viel reden, ohne etwas zu sagen – bei manchen Berufen scheint dies sogar Voraussetzung zu sein. Die „Inflation der Worte“ greift wie eine Seuche um sich. Deshalb sollte uns weniger die Quantität als vielmehr die Qualität unseres Redens ein Anliegen sein. In Sprüche 10,19 heißt es: „Wo viele Worte sind, da geht es ohne Sünde nicht ab; wer aber seine Lippen im Zaum hält, der ist klug.“

Auf jeden Fall ist sinnvolles Schweigen besser als gedankenloses Reden. Ich denke an eine Ehefrau in der paarspezifischen Beratung, die ihrem Mann permanent „klärende Gespräche“ aufdrückte und alles ergründen wollte. Wie wichtig ist es zu erkennen, wo schweigen angebracht ist – und zwar kein beleidigtes, sondern konstruktives Schweigen!

Es gibt Situationen, wo durch verbale Kommunikation mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird. Die drei Freunde Hiobs sind ein gutes Beispiel dafür, dass auch das Schweigen seinen Platz hat. Es war zwar eine enorme Leistung, dass sie mit ihrem Freund Hiob sieben Tage lang schweigend auf der Erde saßen – allerdings wäre es besser gewesen, wenn sie es nicht bei den sieben Tagen und Nächten belassen hätten.

Prediger 3,7 führt aus: Es gibt eine „Zeit fürs Zerreißen und Zeit fürs Zusammennähen, Zeit fürs Schweigen und Zeit fürs Reden, …“ Ernest Hemingway sagte einmal: „Man braucht zwei Jahre, um sprechen und 50 Jahre, um schweigen zu lernen.“

Wie oft sind wir sehr schnell mit unserer Zunge! Auch Seelsorger stehen in der Gefahr, für jedes Problem gleich eine Erklärung oder ein Rezept parat haben zu wollen. Es gibt auch eine Zeit fürs Schweigen, und wir sollten den Herrn um Weisheit bitten, den richtigen Zeitpunkt dafür zu erkennen. Besonders schwer fällt uns das Schweigen, wenn wir angegriffen werden und uns in Frage gestellt fühlen. Jesus war da ganz anders. Manchmal hilft beten mehr als reden.

In diesem Zusammenhang gibt Petrus den Ehefrauen, deren Ehepartner nicht gläubig sind, folgenden Rat:

„Ebenso ihr Frauen, ordnet euch den eigenen Männern unter, damit sie, wenn auch einige dem Wort nicht gehorchen, ohne Wort durch den Wandel der Frauen gewonnen werden, indem sie euren in Furcht reinen Wandel angeschaut haben!“ (1Petr 3,1.2)

6.5. Umgang mit speziellen Kommunikationsschwierigkeiten

Zum Schluss noch exemplarisch einige häufig vorkommende Situationen, in die ein Seelsorger (jedoch nicht nur er) gerät; wir greifen dabei auf das bisher Ausgeführte zurück.

  • Ratsuchende übermittelt auf der verbalen Ebene Informationen, die nicht mit den nonverbalen Signalen übereinstimmen („paradoxe Kommunikation“).
  • Der Seelsorger sollte dies ansprechen und um die Klärung bemüht sein (Metakommunikation). Möglicherweise hat der Ratsuchende aufgrund seiner Eineindeutigkeit Schwierigkeiten im sozialen Bereich, indem er z. B. für andere widersprüchlich wirkt und dadurch schlecht Vertrauen aufbauen kann.
  • Der Ratsuchende redet sehr viel und wirr, hüpft von einem Thema zum anderen oder redet belangloses Zeug.5
  • Der Seelsorger sollte das Gespräch strukturieren, z.B. indem er die Themen mit den Ratsuchenden vorher abspricht und ihn im Gespräch immer wieder an diese Absprache erinnert (sich evtl. Notizen machen und bestimmte Punkte herausgreifen).
  • Der Ratsuchende redet so gut wie nichts, die Gesprächspausen sind unerträglich lang etc.
  • Wir sollten auf die Fragetechnik achten: offene Fragen stellen (keine ja/nein-Fragen); Problematik ggf. ansprechen, Ursachen herausfinden. Geduld ist nötig, bis Vertrauen entstanden ist.
  • Der Ratsuchende ist sehr gefühlsbetont und „zieht“ den Seelsorger auf seine Ebene.
  • Der Seelsorger muss nüchtern sein, ohne das Empfinden des Ratsuchende abzuwerten. Der Maßstab ist und bleibt das Wort Gottes. Es kann beispielsweise sein, dass der Seelsorger unterscheiden muss, ob Tränen bei der ratsuchenden Person Bemitleidet-werden-wollen oder echte Reue und Buße bedeuten.
  • Ratsuchende und Seelsorger „reden aneinander vorbei“.
  • sich über die Bedeutung von Begriffen absprechen (z. B.: „Was verstehen Sie unter …?“). Beispiel: Ratsuchender: „Ich habe die Sünde wider den Heiligen Geist begangen…“ (Mk 3,19)
  • Man sollte sich auf ein Thema einigen, damit man nicht „vom Hundertsten ins Tausendste“ kommt.
  • Der Ratsuchende ist verbittert und gibt anderen die Schuld für seine Schwierigkeiten und Nöte.6
  • Deutlich machen, dass der Ratsuchende für sich selbst verantwortlich ist (und nicht für das Fehlverhalten anderer). Ggf. die Schriftpassage Matthäus 7,1-5 (Balken im eigenen Auge) lesen.
  • etc.

7. Schluss

Thesen zur Kommunikation (Zusammenfassung)

  1. Die Fähigkeit zur Kommunikation ist ein Geschenk Gottes und Ausdruck der Gott-Ebenbildlichkeit. Dies verpflichtet zu einem verantwortungsvollen Einsatz dieser Gabe.
  2. Kommunikation ist ein komplexes, störanfälliges Geschehen.
  3. Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren – auch Schweigen teilt etwas mit.
  4. Effektive Kommunikation muss man erlernen – dazu gibt uns auch die Bibel an vielen Stellen Anleitung und Vorbilder. Beim Thema Heiligung steht ‚Kommunikation‘ an oberster Stelle.
  5. Kommunikation ist vielschichtig: Eine Nachricht kann auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Botschaften enthalten (vgl. die vier Aspekte…)
  6. Probleme zwischen Menschen sind Kommunikationsprobleme und können nur durch (verbale) Kommunikation gelöst werden. Dasselbe gilt für die Beziehung zu Gott.

Die Ausführungen über Kommunikation sind auf den ersten Blick entmutigend. Da liegt der Gedanke nahe: „Wenn das alles so kompliziert ist, lasse ich lieber die Finger davon!“ (Resignation). Eine andere (durchaus gesunde) Position: „Man darf die Dinge nicht so kompliziert sehen; wenn ein Tausendfüßler über den abwechselnden Gebrauch seiner Beine nachdenken würde, würde er stolpern!“

Der Schriftsteller Friedrich M. von Bodenstedt (1819 – 1892) meint: „Zwei Dinge sind schädlich für jeden, der die Stufen des Glücks will ersteigen: Schweigen, wenn Zeit ist zu reden, und Reden, wenn Zeit ist zu schweigen.“ Und Weisheit ist zu erkennen, wann welches von beidem dran ist!

Mein Anliegen ist: Ich möchte Mut machen zum Gespräch in der Ehe, der Familie und der Gemeinde; ermutigen zur Seelsorge. Aber auch darauf hinweisen, dass wir Kommunikation nicht leichtfertig betreiben sollten. Jeder Gläubige (nicht nur der Seelsorger) ist zu einem Leben in Wahrhaftigkeit und Heiligung verpflichtet.

Nur in der engen Beziehung zum Herrn und in der Abhängigkeit von Ihm ist es möglich, dem Anspruch von Jakobus 3,2b zu genügen:

„Denn wir alle fehlen mannigfach. Wenn jemand im Wort (d. h. im Reden) nicht fehlt, der ist ein vollkommener Mann und kann den ganzen Leib im Zaum halten“.

Fußnoten

  1. Wenn wir alle diese Aussagen beherzigen würden, sähe es in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen anders aus. ↩︎
  2. Wir nehmen bspw. gerne die Errungenschaften der Medizin in Anspruch, um unsere Schmerzen und Gebrechen zu lindern. Das ist nicht unbiblisch. ↩︎
  3. So wächst in der Regel das Interesse an der eigenen Wirbelsäule proportional zu den Beschwerden, die sie uns bereitet. ↩︎
  4. Psychotherapie: Grundlagen, Verfahren, Indikationen. 2. Aufl. München 1978, S. 4. Eine gewisse Systematik wird uns helfen, Kommunikation besser zu verstehen. Bitte durch einige Fachbegriffe nicht erschrecken/verwirren lassen. ↩︎
  5. Leider fehlt es uns oft an „Echtheit“ (sie ist in der Gesprächstherapie eine bedeutsame Therapeuten-Variable); unserer Rede ist nicht immer verlässlich und eindeutig. Unser „Ja“ ist nicht immer ein „Ja“, unser „Nein“ nicht immer ein „Nein“ (vgl. Mt 5,37: „Eure Rede sei: Ja, ja! Nein, nein! Was aber mehr ist als dieses, ist aus dem Bösen“). ↩︎